Eine Liebesgeschichte

Kennengelernt haben wir uns schon vor Jahren. Ich kann es gar nicht mal mit einem konkreten Ereignis verbinden. Wer hätte denn je geahnt. dass irgendwann einmal mehr aus dieser zufälligen Bekanntschaft werden würde?

 

Im Laufe der ersten Hälfte meines Studiums trafen wir uns immer öfter. Und schließlich, zu meinen letzten Seminaren an der Uni, hatte sich eine tiefe Freundschaft entwickelt. Natürlich ergaben sich immer häufiger gemeinsame Unternehmungen, die mir die passenden Entschuldigungen für noch nicht geschriebene Hausarbeiten lieferten.

 

 

Irgendwann musste ich mir eingestehen: ich hatte mich verliebt.

 

 

Ich glaube, dass erste Mal, als mir dies so richtig bewusst wurde, war der Tag, an dem ich mit meiner vorletzten Hausarbeit beginnen wollte. Die letzte hatte ich gerade abgegeben und der Arbeitsfluss hätte sich prima nutzen lassen. Da kam meine große Liebe ganz unerwartet mit meinem Grafiktablett um die Ecke – ich hatte ein halbes Jahr darauf verzichten müssen, aber nun gab es einen neuen kompatiblen Laptop und das schöne Spielzeug sah so traurig und vernachlässigt aus und verlangte nach ein bisschen Zuwendung… Wie hätte ich da „Nein“ sagen können?...

 

 

So wie ich mir meine Liebe eingestehen musste, musste ich auch erkennen, dass diese mir nicht guttut. Aber wie heißt es so schön? Der Mensch will ja leiden!

 

 

Und so hockt die Prokrastination noch heute auf meinem Sofa, verstreut ihre dreckigen Socken in der Wohnung und sorgt dafür, dass sich mein Abwasch stapelt! …

 

 

 

 

Nun kam es wie es kommen musste: eines Tages stritten wir uns ganz fürchterlich. Ich warf ihr vor, dass sie mich vom Studieren abhielt, weil ich sie von vorne bis hinten zu bedienen hatte und sie mir mit ihrer ständigen Anwesenheit die Konzentration raubte.

 

 

Auf der Suche nach einem Schlußstrich mussten harte Maßnahmen herangezogen werden: ich erstellte eine To-Do-Liste!

 

 

Diese wurde natürlich höhnisch belächelt in die Ecke geworfen…

 

 

Als ich meine Liste dann ein paar Tage später wieder auskramte, setzte ich einen weiteren Punkt hinzu: Prokrastinations-Bewältigung!

 

 

Das war ein Schock. Monatelang sprach das Miststück nicht mit mir, schob mir aber unterschwellig immer Ablenkung zu, die sich von Mal zu Mal steigerte… Am Ende musste ich erkennen: Meine Prokrastinations-Bewältigung ist der Prokrastination zum Opfer gefallen… Mist!

 

 

Ich kapitulierte und die Liebe zerfloss im verflixten Alltag und verlor ihre anfängliche Würze. Da wir uns nicht mal mehr stritten, wurde es zu einem Nebeneinander-Her-Leben mit langweiligen Serien-Abenden und sinnlosem Papierkram-Sortier-Aktionen. Das konnte so nicht weitergehen. Diese Beziehung tat uns beiden nicht mehr gut, so ohne Ansporn und Herausforderungen. Wir suchten nach einer Lösung. Ich schlug vor, wieder mit einer To-Do-Liste anzufangen, um für ein bisschen Pepp zu sorgen. Damit waren wir beide einverstanden.

 

 

Nach einer Weile merkten wir, dass unsere Beziehung wieder erblühte. Ich spickte meine Liste mit Daten und Fristen, was die Phantasie meiner Prokrastination so richtig anregte. Als ich besonders motiviert war, an meiner Magisterarbeit weiter zu schreiben, löste sie in mir den unnachgiebigen Drang aus, meine Wohnung um zu dekorieren.

 

 

Die neue Farbe im Flur gefällt mir richtig gut…

 

 

Meine Freundin betrachtet unsere Beziehung seither eher mit kritischem Auge, was die ganze Sache durchaus interessant macht, denn ich hab ihr gestattet, sich ordentlich einzumischen. Sie hat mir ausdrücklich sämtliche Deko-Arbeiten bis zum Examen verboten und weitere Fristen gesetzt, die mich echt ins Schwitzen bringen, wenn ich so bedenke, wie phantasiereich meine Prokrastination bei solchen Herausforderungen werden kann.

 

 

Aber es ist ein schönes Gefühl wieder verliebt zu sein, nachdem Spannung und Neugier wieder aufgeflammt sind. Eine Beziehung muss eben ständig lebendig gehalten werden, damit sie gut funktionieren kann und beide Partner ausgelastet und zufrieden sind. Zu viel Harmonie tut ja bekanntlich auch nicht gut.

 

 

Ich setz mir gleich mal eine neue Frist auf meine To-Do-Liste – hihi…

Kommentar schreiben

Kommentare: 0